Freie Presse: „Ein Gewinn für jede Weltuntergangsparty“

Erschienen am 30.12.2019

Die Band Undenkbar bei den Dorftrotteln in Waldkirchen. Foto: Matthias Zwarg

Von Matthias Zwarg

Drei Bands haben am Freitagabend für ausgelassene Stimmung bei den Waldkirchener Dorftrotteln gesorgt. Zwar wird das Publikum älter, die Initiatoren wollen dennoch keine Kompromisse eingehen.

Waldkirchen. 

Am Anfang ist die Bühne besser gefüllt als der Saal. Die Griffins aus Leipzig bringen eine Musikerin und sieben Musiker auf die eher klein geratenen Bretter, die die Welt bedeuten. Aber kurz nach 22 Uhr kommen sie doch zahlreich, die ewigen Dorftrottel-Fans, die bereits vor 20 Jahren im umgebauten Schweinestall für rauschende und berauschte Feste sorgten und das noch immer schaffen. Insgesamt 70 aus dem Erzgebirge und aus Chemnitz feiern an diesem Abend mit.

„Das Leben ist gemein, wie könnte es auch anders sein“, singen die Griffins und treiben mit Pauken, Trompeten, Saxophon und Gitarren den Trübsinn aus den alten Mauern. Es darf getanzt werden bei dem fluffigen Ska-Punk der Big Band, deren „Punküberfall“ (so ein Titel) ohne Verletzte, aber mit „Selbsterkenntnis“ (ebenfalls ein Titel) endet.

Das ist die richtige Einstimmung auf die vor zehn Jahren gegründete Chemnitzer Band Undenkbar. Sie ist ein Gewinn für jede Weltuntergangsparty, denn die Jungs sind fröhliche Pessimisten. „Irgendwie war’s früher besser, alles war schöner damals. Und wir müssen alle leiden und für die Folgen bezahlen. Geht doch alle mit bergab, bis ihr ganz unten bei mir seid. Ihr sorgt für die gute Laune, ich stelle kühles Bier bereit“, singen sie und erweisen sich auch sonst als Realisten. Dazu gibt es Benjamin-Blümchen-Torte für ein Geburtstagskind, und „weil so viel Hass und Wut in der Welt ist“, wie Sänger Kay Schulze sagt, haben sie auch „etwas Liebe“ mitgebracht. „Sozialkritik“ wird nicht ausgespart, „Kapitalismuskritik kommt später“. Zwischendurch klingt es nach Polka und Rock ’n‘ Roll, bevor die Schwarzenberger Band Toxic Cure die Bühne mit jazzigem Hardcore stürmt und ebenfalls das Engagement der Dorftrottel lobt.

Für den Verein machen die Konzerte nur noch einen Teil der Arbeit aus. „Inzwischen sind wir mehr mit dem Catering unterwegs“, erklärt Frank Helbig: „Das läuft richtig gut.“ Er ist Besitzer des Grundstücks, auf dem der ehemalige Schweinestall steht, und Mitinitiator des Dorftrottel-Konzertes. Beim Weihnachtspogo im Chemnitzer Alternativen Jugendzentrum, bei Punkfestivals und Konzerten, Veranstaltungen in Leipzig, Magdeburg, Schwarzenberg sorgen die Dorftrottel für veganes Essen. Über Konzerte in Waldkirchen freut er sich dennoch, weiß aber schon, dass das klassische Dorftrottel-Publikum älter wird und seltener kommt. So sind auch an diesem Abend die meisten Gäste älter als 40 Jahre. Frank Helbig findet das nicht so schlimm, solange es allen Spaß macht und die Veranstalter keine Kompromisse eingehen müssen. „Wir können und wollen nicht jede Gage zahlen“, sagt Helbig, und er will auch nicht mit Hip Hop oder ähnlicher „moderner“ Musik in den Punk-Schuppen locken. Vielleicht haben sie die Welt doch nicht so sehr geändert, wie sie ursprünglich wollten. Aber das Alternative Zentrum der „Dorftrottel des Herzens“ (so die selbstkritische Eigenwerbung) sorgt auch dafür, dass sich alte und neue Freunde des Klubs nicht ändern, keinem Mainstream anpassen, der das Leben langweiliger und lustloser macht. Was kann man von einem Dorfklub mehr erwarten?

Das nächste Konzert im AZ Dorftrottel: Am 3. Januar, ab 21 Uhr spielt die Ost-Punk-Legende Müllstation zusammen mit Schlotze und Los Perezosos.

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